Die Bundes-ÖVP ist in Problemen und sorgt sich um die Normalität, weil nicht alle wie die ÖVP denken und nach deren Pfeife tanzen. Angelangt bei der Schnitzel- und Autoland-Debatte werden wir in Videos in anbiedernder DU-Form gefragt, ob wir normal sind. Nur sind Andersdenkende abnormal oder zumindest schräge Vögel, die nach Belieben verächtlich gemacht werden? Wer bestimmt, wer normal ist und wer nicht? Wir brauchen nicht den Zuruf von einer Partei, die „der schweigenden Mehrheit der normaldenkenden Menschen eine kräftige Stimme geben will“. Auch die Äußerung von Jugendstaatssekretärin Plakolm ist fehl am Platz, wenn sie unter NormalbürgerInnen nur jene versteht, „die tagtäglich in der Früh aufstehen, arbeiten gehen, Steuern zahlen, für ihre Familien sorgen und sich für den Zusammenhalt in der Gesellschaft ehrenamtlich engagieren“. Sie war übrigens am 5. September 2022 auch der Meinung, dass „viele Ältere keine Pensionserhöhung brauchen“
Die echten Probleme werden nicht gelöst
So läuft derzeit die darniederliegende österreichische Innenpolitik. Wir werden von populistischen Themen wie „Bezahlst du bar oder mit Karte?" oder mit dem Gendersternchen gefüttert. Die echten großen Probleme unserer Lebensrealität werden entweder ausgeblendet oder vernachlässigt. Wenig zu hören ist über den Kampf gegen den Klimawandel: Unwetter und Muren verursachen schwere Schäden in der Landwirtschaft, ganze Landstriche stehen unter Wasser, Ortschaften liegen in Trümmer und Familienhäuser stürzen ins Tal.
Rechnet uns nicht ständig vor, was die Pensionen kosten. Kümmert euch stattdessen um gerechte und den massiven Kaufkraftverlust abdeckende Pensionen, die seit 18 Monaten von der Teuerungswelle überrollt werden. Und nicht um Aktienpensionen, die dem freien Kapitalmarkt ausgeliefert werden.
Erzählt uns nicht das Märchen vom inflationstreibenden Konsumrausch, wenn uns eine Rezession droht. Beweist stattdessen die angebliche Wirtschaftskompetenz und bekämpft endlich die Ursachen der Inflation „Made in Austria“ – mit sieben Prozent der dritthöchste Wert im Juli in der Eurozone.
Gebt uns endlich die versprochene Patientenmilliarde der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), damit die Schere zwischen Finanzierung und Bedarf an Leistungen für die Gesundheit und den Pflegenotstand, nicht noch weiter auseinanderklafft. Das vierte Jahr in Folge ein negatives Jahresergebnis zu schreiben und die 2019 eingebrachten Rücklagen, um die Hälfte zu reduzieren, zeigt nicht von einer sozialpolitischen Kompetenz.
Erklärt den Banken, dass gestiegene Zinsen auch für Bank- und Sparguthabenguthaben zu gelten haben.
Veranlasst die Aufstellung von Bankomaten in jeder Gemeinde, damit wir zu Bargeld kommen.
Wir brauchen als ältere Generation keinen Kulturkampf darüber, was normal ist
Wir sind unterschiedlich erzogen, unterschiedlich sozialisiert und unterschiedlich aufgewachsen. Diese einzigartige Kombination hat uns zu dem gemacht, was wir sind. Eine selbstsichere Generation, die trotz fortgeschrittenen Alters sich ihrer eigenen Fähigkeiten sowie Stärken und Schwächen bewusst ist. Wir haben gelernt und erfahren müssen, dass die sogenannte Normalität sich im Laufe der Zeit ändern kann. Das, was vor einigen Jahrzehnten als normal galt, mag heute nicht mehr der Fall sein. Jede und jeder sollte das Recht haben, so zu leben und so zu sein, wie er möchte, solange niemand anderer zu Schaden kommt oder deren Rechte verletzt werden. Toleranz, Akzeptanz, Respekt, Achtung der Freiheit, Üben von Solidarität und aufeinander Rücksicht zu nehmen, das ist normal.
Wir brauchen keine politische Partei, die das Alleinstellungsmerkmal der Normalität für sich beansprucht und „Normaldenkende nur in der Mitte der Gesellschaft“ verortet.