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Kann Klimaschutz als Menschenrecht eingeklagt werden?

Der Klimawandel verändert die Welt, zerstört die Natur und bedroht Menschenleben.

Ja, seit Kurzem ist dies möglich!

Ein bahnbrechendes, sensationelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 9. April 2024 hat entschieden, dass die 46 Mitgliedsstaaten des Europarates den Schutz ihrer Bürger vor den Folgen des Klimawandels gewährleisten müssen.

Diesen historischen Sieg errangen die „KlimaSeniorinnen Schweiz“, ein Verein mit derzeit über 2500 weiblichen Mitgliedern ab 64 Jahren, mit ihrem Klagsvorwurf, dass die Menschenrechte der älteren Frauen wegen der ungenügenden Klimaziele der Schweizer Bundesregierung konkret verletzt werden. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Schweiz ihren Verpflichtungen gegenüber dem Artikel 8 (Recht auf Privat- und Familienleben) der Menschenrechtskonvention bezüglich des Klimawandels nicht nachgekommen ist. Die Schweizer Behörden hatten nicht rechtzeitig und in geeigneter Weise gehandelt, um Maßnahmen zur Abschwächung der Auswirkungen des Klimawandels zu treffen. Darüber hinaus hat die Schweiz ihre eigenen ungenügenden Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen nicht erreicht.

Der Gerichtshof stellte ferner fest, dass die Klage des Vereins Opferstatus hat. Die Anerkennung des Opferstatus rückt die unverhältnismäßigen Auswirkungen des Klimawandels auf ältere Menschen und andere vulnerable Gruppen in den Vordergrund. Dieser großartige Sieg bedeutet den Zugang aller Generationen zu Klimaklagen in ganz Europa.

Was kann das für Österreich bedeuten?

Die Europäische Menschenrechtskonvention steht in Österreich im Verfassungsrang und ist direkt anwendbar. Bei der Auslegung der Konvention orientieren sich die nationalen Gerichte stark an der Rechtsprechung des EGMR.

Österreich schneidet beim Klimaschutz-Index (CCPI) 2024 mit dem unveränderten Platz 32 schlechter als die Schweiz mit Platz 21 ab. Gründe hierfür sind das seit Jahren ausstehende Klimaschutzgesetz, das Fehlen eines konkreten, ehrgeizigen Maßnahmenplans zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 und die Subventionierung fossiler Brennstoffe. Auch der Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP) wurde von der Regierung noch nicht an die EU übermittelt. All das ist selbst verschuldet und es gibt für dieses Versagen konkrete Verantwortlichkeiten, getragen von der ÖVP auf Bundesebene. Das ÖVP geführte Bundeskanzleramt unterstützte sogar in seiner freiwilligen Stellungnahme die Position der Schweiz, wonach es kein eigenständiges Menschenrecht auf Schutz vor dem Klimawandel gebe.

Die Gruppe der Schweizer Seniorinnen hat es aber geschafft, was Regierungen und Parlamente nicht zusammenbrachten: Der Klimaschutz ist nun erstmalig ein einklagbares Grundrecht, das zur Stärkung der rechtlichen Position von Klimaschutzaktivist:innen führen kann und die Verpflichtung der Bundesregierung zu ehrgeizigeren Klimaschutzmaßnahmen bedeuten kann.

Jedenfalls haben wir ein amtliches Recht darauf, vor den schwerwiegenden negativen Auswirkungen des von Menschen gemachten Klimawandels, auf Leben, Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität geschützt zu werden.

Klimaschutz ist nicht nur eine Umweltfrage, sondern jetzt auch eine Frage der Menschenrechte.