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Arbeitszeitverkürzung zwischen logisch und absurd

Wenn man die Geschichte der Arbeitszeit historisch betrachtet, so war die Forderung der Sozialdemokratie 1918 für einen acht Stunden Tag eine einmalige Pionierleistung. Die Aufteilung des Tages in acht Stunden Arbeit, acht Stunden persönlich verfügbarer Zeit und acht Stunden Schlaf, waren lange Zeit eine wichtige Richtschnur des gesellschaftlichen Lebens.

Die 48 Stunden Woche, mit der viele von uns noch ins Arbeitsleben eintraten, dann die 45 und schließlich unter Bruno Kreisky die 40 Stunden Woche, die bis heute – abgesehen von abweichenden Betriebsvereinbarungen – noch immer gilt, war ein Meilenstein in der Geschichte. Eine Forderung über Arbeitszeitverkürzung auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich, scheint für viele vielleicht nicht vorstellbar wie z.B.: in der WKÖ oder bei einigen RepräsentantInnen, die nach wie vor auf Arbeit im Interesse des Wohlstandes setzen.

Arbeitszeitverkürzung im Test

Aber während man in Österreich noch heftig diskutiert, wird anderswo bereits „ausprobiert“ wie z.B.: in Spanien oder Pilotprojekte in den USA und Großbritannien, die eine 32 Stunden Woche bereits versuchen. Natürlich gehen solche Veränderungen nicht rasch, wie die Historie zeigt, aber das Ziel einer Arbeitszeitverkürzung muss in Anbetracht der fortgeschrittenen Technik und den damit verbundenen Produktivitätsgewinnen, zuletzt die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI), wohl angedacht werden dürfen. KI muss als fünfte industrielle Revolution erkannt und davon ausgegangen werden, dass diese neue Technik zu einer neuen Arbeitswelt führen wird.

Als mit der Dampfmaschine um 1770 von James Watt die erste industrielle Revolution in Großbritannien begann, wandelte sich die Agrargesellschaft in Richtung Industriegesellschaft. In Österreich waren um 1918, also am Ende des ersten Weltkrieges, fast noch 70% in der Landwirtschaft tätig und heute sind es gerade noch 3%-4% bei ausreichender Versorgung mit Lebensmitteln, was früher trotz des hohen Anteils in der Landwirtschaft Tätigen nie erreicht werden konnte. Allein daran erkennt man den Fortschritt der Produktivität im Agrar-, Industrie- und Gewerbebereich bis hin zum Dienstleistungssektor. Ich selbst habe bereits in einem Beitrag in den 90er Jahren die Auffassung vertreten, dass der Wohlstand in Österreich mit einem Arbeitsaufwand von 30 Stunden erhalten werden könnte. Dieser Beitrag stand noch stark unter dem Einfluss der damaligen Diskussionen „Grenzen des Wachstums“, deren Vorschläge und Ergebnisse bedauerlicherweise keinen Einfluss auf die Entscheidungen hatte – bis heute – wo die Grenzen des Wachstums für den Großteil der Menschen erkennbar ist.

Fortschritt als Chance für Lebensqualität

Aber auch heute wie damals, wird der Fortschritt, der vor allem durch KI geprägt sein wird, bekämpft und über einschränkende Regulierungen nachgedacht. Doch der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten, wie uns die Geschichte lehrt. Begreift man den Fortschritt aber als Chance, können dadurch viele neue Jobs bei sozialer Absicherung entstehen. Am Ende der Diskussion muss darüber entschieden werden, ob man bei dieser Entwicklung dabei oder sogar „vorne dabei“ sein will. Österreich hat aufgrund des vorhandenen technischen Wissens das Potenzial, vorne dabei zu sein! Allerdings setzt dies voraus, dass sich die Regierung als Innovationspartner versteht und auch so handelt.

In dieser Zeit der Transformation der Wirtschaft wird letztlich über den Wohlstand der österreichischen Volkswirtschaft entschieden!

Jugend sieht andere Werte im Vordergrund

Auch die gesellschaftlichen Veränderungen, die in der kürzlich vorgestellten Jugendwertestudie aufgezeigt wurden, hat sich die Jugend bereits auf eine reduzierte Arbeitszeit eingestellt. Auch die Bereitschaft, Spitzenpositionen einzunehmen, nimmt ziemlich stark ab, was dazu führen kann, dass neben dem Facharbeitermangel uns auch die Führungskräfte ausgehen – oder aus dem Ausland besetzt werden. Führungspositionen sind oftmals weniger attraktiv, da es immer weniger Menschen gibt „die sich für die Firma aufopfern“. Diese Entwicklung hängt auch eng mit der oft mangelnden Anerkennung in der Gesellschaft zusammen sowie den persönlichen Umgangsformen, da oftmals den Menschen nicht mit jenem Respekt und Würde begegnet wird, die notwendig wären, um den Zusammenhalt einer Gesellschaft zu sichern. Ja, es braucht Mut, Menschen zu ertragen die anders denken, aber auch Menschen zu ertragen die dauernd dasselbe von sich geben, wie z.B.: die Agenda Austria oder andere Institutionen dieser Art, z.B. bei der Pensionsdebatte. Zuletzt soll nach ihrem Vorschlag bei der Vermögensverteilung die Altersvorsorge einbezogen werden, um die bestehende „Schieflage“ in Österreich damit angeblich zu verringern. Egal wie viele Angriffe es geben wird, wir lassen uns das Umlageverfahren, das wir seit 1955 haben, nicht madig machen, mit klarer Aufteilung der Kosten (je ein 1/3 Arbeitnehmer, Arbeitgeber und der Staat). Heute liegt der Anteil des Staates zwischen 20% und 22%, wobei der Großteil dieser Ausgaben auf die Armutsbekämpfung entfällt.

Ausbau der Kinderbetreuung: seit 30 Jahre – bitte warten

Es ist zwar einerseits erfreulich, dass sich in den letzten Wochen so viele mit Kinderbetreuungskonzepten beschäftigen und in großen medialen Beiträgen u.a. im Kurier (9.8.2023), indem der WKÖ-Präsident Mahrer „sein Kindergartenkonzept“ vorstellt. Es ist zwar einerseits erfreulich, aber andererseits beschämend, weil seit rund 30 Jahren bis vor noch kurzem gerade die VertreterInnen der ÖVP und des Wirtschaftsbundes sich mit den unmöglichsten Argumenten gegen durchgehende Kinder- und Kleinkinderbetreuungseinrichtungen wehrten. Natürlich kann man „g´scheiter werden“, oder man setzt politisch bewusst auf die Vergesslichkeit der Menschen. Erst in Anbetracht des Arbeitskräftemangels wird nun vom Wirtschaftsbund gefordert, dass die „Politik im Ausbau der Kinderbetreuung endlich in die Gänge“ kommt. Das gleiche, übrigens wie bei der Klage über fehlende Facharbeiter, nachdem aus Kostengründen, vor allem viele Großbetriebe, keine Lehrlingsausbildung mehr durchführten. Wenn sich der Präsident von der Wirtschaftskammer wundert, dass es den längst überfälligen Aufschrei nicht gab, so wundere ich mich nur, wo diese Menschen eigentlich lebten, dass sie die vielen Anträge auf Bundes- und Landesebene z.B. auch in meinem Bundesland Niederösterreich nicht mitbekommen haben. All diese Anträge gingen nämlich in diese Richtung, konnten aber mangels von Mehrheiten nicht umgesetzt werden, dabei wären diese Kinderbetreuungseinrichtungen eine wichtige Voraussetzung, dass Eltern am Arbeitsmarkt teilhaben können. Dieses Versagen trifft vor allem Mütter, die berufstätig sein wollen oder müssen und die dann bis in die Pension weniger Ansprüche ansparen können, was dann jährlich am „Equal Pension Day“ bedauert wird.

Gesellschaftliche Entwicklung ist Aufgabe und kein „Spiel“

Es ist das alte Spiel der Konservativen, sehr lange gegen etwas zu sein, um aus der Stimmung der Menschen zu profitieren und dann, wenn es durchgesetzt ist, so zu tun als sei dies schon immer auch ihr Anliegen gewesen. Leider gibt es viele Menschen die noch immer auf dieses Verhalten „hineinfallen“.

Hätte die Sozialdemokratie ihre gesellschaftliche Überzeugung in vielen Bereichen - trotz Widerstand - nicht durchgesetzt, so wäre Österreich nicht Österreich so wie wir es heute kennen und lieben. Wer erinnert sich noch Beispielhaft an die Gleichstellungsdebatte Anfang der siebziger Jahre, da bis zu dieser Zeit der Mann das Oberhaupt der Familie war und eine Frau nur arbeiten durfte, wenn sie die Erlaubnis ihres Mannes hatte. Für viele heute unvorstellbar und längst vergessen, wie z.B. auch die Strafrechts- und Familienrechtsform und viele weitere Rechtsbereiche, die modernisiert wurden.

Heute werden diese Argumente fast als Vorwurf an andere Kulturen verwendet. Vieles könnte noch angeführt werden, aber es sollte nur verdeutlicht werden, dass die Sozialdemokratie jene Kraft ist und war, die für moderne und zukunftsfähige Strukturen in der Gesellschaft steht, als DNA unserer Bewegung.