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Den Sozialstaat krisenfest machen

In Österreich gibt es traditionelle Verhaltensweisen, auf die wir alle gemeinsam stolz sein können, weil sie ein wichtiger Beitrag zum sozialen Leben und im Kampf gegen die Einsamkeit sind. Ob, wie in Wien rund 32.000 Menschen täglich das Kaffeehaus besuchen oder in Niederösterreich andere Lokale und Einrichtungen besuchen, geht es im Kern um Kommunikation und Geselligkeit.

Bei all diesen Treffen reden sich die Menschen vieles von der Seele und von manchen hört man auch politisch frustrierte Kommentare, aus denen auch ein Wahlverhalten resultiert, das wir jetzt gerade erlebt haben.

EINZIGARTIGES SOZIALSYSTEM

Wir Pensionistinnen und Pensionisten feiern heuer nicht nur unser 75.-jähriges Bestehen, sondern arbeiten auch tagtäglich für dieses weltweit einzigartige Sozialsystem, das letztlich alle zu schätzen wissen, aber zunehmend weniger Anerkennung findet. Alles, was heute so selbstverständlich scheint, hat überwiegend unsere Generation erkämpft und wir wissen, dass diese gesellschaftspolitischen Errungenschaften nicht in „Stein gemeißelt“ sind. Und deshalb hat gerade die ältere Generation Angst vor einem möglichen Verlust.

Mir ist noch gut in Erinnerung, die von der damaligen Ministerin Hartinger-Klein (FPÖ) gemeinsam mit der ÖVP beschlossene „Reform der Sozialversicherungsträger“, die zu Kosteneinsparungen führen sollte, aber stattdessen hohe Kosten verursachte und leider keine Verbesserung der Patientenversorgung mit sich brachte, ganz im Gegenteil. Am 10. April 2024 bezeichnete die ehemalige FPÖ-Ministerin die „Patientenmilliarde als Marketing-Gag“. (puls24.at/news).

Auch so kann man Österreich an die „Wand fahren“ und Menschen desillusionieren, statt für Versorgungssicherheit zu sorgen. Trotz des Wahlergebnisses hängt der FPÖ ein gewisses Versagen im Falle der Regierungsverantwortung nach, so wie z.B. auch dem ehemaligen Innenminister Kickl.

WENIG VERTRAUEN IN DIE POLITIK

Trotzdem stellt sich für viele Menschen die Frage, warum so viele Wählerstimmen auf diesen Populismus entfallen, und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch in vielen Ländern Europas, z.B. in Holland, Italien, Deutschland, Frankreich. Wie ist dieser „Mainstream“ überhaupt entstanden? Die Antwort ist leider an die traditionellen Parteien gerichtet, da sie offensichtlich verlernt haben, mit der Wut der Menschen umzugehen. In einem Artikel des Kuriers vom 06.10.24 wird dieses Wahlverhalten als „eine Revolte im Paradies“ (von den Autorinnen Evelyn Peternel und Ingrid Steiner-Gashi) bezeichnet, da die Lebensumstände trotz allem gut sind, aber die Menschen das Gefühl haben, dass ihr persönliches Paradies verloren gehen könnte. So z.B. durch Globalisierung, Migration, künstliche Intelligenz und weiteren technischen Fortschritt.

Gleichzeitig erkennt man, dass der Wohlfahrtsstaat so nicht mehr funktioniert: Eine gute und zeitnahe medizinische Versorgung gibt es leider viel zu oft nur gegen Aufzahlung, die Mieten ebenso wie Eigentum werden immer weniger leistbar, ohne dass die ÖVP-Grüne Regierung wirkliche Gegenschritte eingeleitet hat, selbiges Versagen gilt für die immens hohen Gewinne vieler Energieversorger, wo zur gleichen Zeit viele Menschen ihre Energierechnung nicht mehr bezahlen konnten und der Jobmarkt sich verengt.

Durch diese Entwicklungen kommt es zu immer weniger Vertrauen in politische Eliten und damit auch zur Erosion der traditionellen Volksparteien (ÖVP und SPÖ).

Es stellt sich die Frage, wie mit populistischen Parteien umgegangen werden soll? Es würde nicht helfe, nur noch populistischer zu agieren, also auf sie „drauf zu hauen“, sondern eben neue Wege nicht nur anzukündigen, sondern diese auch zu beschreiten.

DIE ERFAHRUNGEN WEITERGEBEN

Wir müssen beginnen, neue Wege zu gehen und dabei die Menschen nicht zu verunsichern, sondern sie mitzunehmen, da sonst die Gefahr einer gespalteten Gesellschaft immer weiter geht.

Ein neuer Umgang mit dieser Herausforderung muss politisch gedacht und umgesetzt werden, um unsere Demokratie zu erhalten und zu stärken. Gerade Pensionistinnen und Pensionisten können dabei einen wichtigen Beitrag in dieser gesellschaftlichen Entwicklungsphase leisten, da sie schon einige Umbrüche erleben und meistern mussten und diese Erfahrungen gerade an jüngere Generationen weitergeben können.

Euer/Ihr Hannes Bauer