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Rückkehr des Krieges und die Auswirkungen auf Europa

Europa hat sich – abgesehen vom Bürgerkrieg in Jugoslawien – über Jahrzehnte in Sicherheit gewogen und kann nun, spätestens seit der russischen Invasion in der Ukraine, nicht mit dieser Entwicklung umgehen. Die russische Invasion, die offensichtlich auf einer gewissen Fehleinschätzung beruht, zeigt aber auf, dass der (Neo)Imperialismus noch immer in vielen Staaten gedacht wird.

Es muss ja nicht unbedingt ein militärischer Imperialismus sein, sondern dieser wird immer mehr von den wirtschaftlichen Interessen oder anderen Spielarten abgelöst, wie in einem Beitrag von Konstantin Weinstabl in der „Zukunft“ eindrucksvoll analysiert wurde.

Dafür gibt es viele Beispiele, wie z.B. der Einmarsch der USA und deren Verbündeten im Irak, bis zu einem gewissen Grad auch die Konstruktion der NATO-Staaten, die Absicherung französischer Interessen in Afrika (2020 waren 1.100 französische Konzerne und deren Tochtergesellschaften in Afrika tätig), die Türkei greift immer wieder auf das historische Bild des osmanischen Reiches zurück, wie bei einer Rede von Staatspräsident Erdogan im November 2016 anlässlich des Todestages des Republikgründers Atatürk und China, mit seinem schwierigen Verhältnis zu Taiwan und den Ansprüchen im südpazifischen Raum und letztlich Russland, das alles versucht, ein „neues Zarenreich“ zu schaffen und von einem Anspruchsdenken ausgeht, das die osteuropäischen Staaten ihre Orientierung und innere Angelegenheiten sowie ihre „souveräne“ Außenpolitik mit Russland abzustimmen sei.

Diese Staaten sowie auch Russland wollen eben von befreundeten bzw. verbündeten Satellitenstaaten umgeben sein. Im Falle Russlands folgen diese Überlegungen keiner politischen Ideologie, sondern im Gegenteil, sie beruhen auch auf einer Kooperation mit der russisch-orthodoxen Kirche, einer nationalen Ideologie und einem staatlichen Konservatismus. 2021 schrieb Putin in einem Essay, dass Russen und Ukrainer dasselbe Volk sind. Vielleicht erklärt dies, die geringe Kampfbereitschaft der Russen und den heldenhaften Widerstand der Ukrainer. Europa wird in diesem Konflikt zu Entscheidungen gezwungen, auf die man nicht vorbereitet war. Wir sprechen zwar immer von einer Wertegemeinschaft, aber haben kaum die Bereitschaft mit allen Mitteln einzutreten, denn die Verteidigung dieser Wertegemeinschaft würde jedenfalls mehr Heroismus und Opferbereitschaft erfordern.

Persönlich halte ich diese Entwicklung für extrem gefährlich, da sie sich zunehmend vom ursprünglichen Gedankengut nach Ende des 2. Weltkrieges in Frieden zu leben, immer weiter entfernt. Die Sehnsucht nach Frieden ist zwar ungebrochen, trotzdem wird überall aufgerüstet und die ursprüngliche Zielsetzung gerät in dieser schwierigen Phase immer mehr in die politische Diskussion.

Der große Wurf nach rascher Beendigung des Krieges zwischen Russland und Ukraine rückt leider weiter in die Ferne. Dabei ist dies gerade die große Herausforderung und nicht die allgemeine Aufrüstung und Unterstützung mit Waffen aller Art.

Eine Zeit, die nach wie vor von der Pandemie geprägt ist, in der Produktionsketten weltweit unterbrochen sind, der Arbeitskräftemangel in allen Bereichen spürbar ist (jede 10. Stelle in NÖ kann nicht besetzt werden), zeigt immer deutlicher, dass das derzeitige Wirtschaftsmodell keine Fortsetzung finden kann. Ein Modell, das auf Wachstum aufgebaut ist, hat aufgrund der Ressourcenverknappheit und der Veränderung des Klimas keine Zukunft.

Wir brauchen dringend – nach mehr als 50 Jahren – des Aufrufes der Wissenschaft (Club of Rome: Die Grenzen des Wachstums) endlich deren Anerkennung und damit ein neues Modell für Nachhaltigkeit – ein Wirtschaftsmodell wie es z.B. Prof. Klaus Dörre beschreibt mit einem „Notausgang“ ausdrückt. Aber auch die Entwicklung des Arbeitsmarktes ist schwer nachvollziehbar, da einerseits die Zahl der Arbeitslosen erfreulicherweise sogar leicht gesunken und trotzdem die Zahl der unbesetzten Stellen am Arbeitsmarkt gestiegen ist.

Ein Teil erklärt sich sicher aus der demografischen Entwicklung (starke Geburtenjahrgänge gingen und gehen in den nächsten Jahren in Pension), die Geburtenrückgänge der letzten Jahrzehnte, die sehr unterschiedliche Berufswahl (mehr als die Hälfte der jungen Menschen geht in weiterführende Schulen), erklärt zwar einiges, aber ist nicht allein der Grund der fehlenden Arbeitskräfte. Der andere Teil der Erklärung liegt in der zunehmenden Zahl der Teilzeitbeschäftigten, die damit – weil sie ja beschäftigt sind – in der Arbeitslosenstatistik nicht aufscheinen. Allerdings trägt diese geringere Beschäftigung dazu bei, dass die Einkommen reduziert werden, das Bruttonationalprodukt und die Sozialleistungen dementsprechend immer stärker unter Druck geraten.

Zu Recht fragt sich die ÖGB Expertin Helene Schuberth in der Solidarität vom September 2022, ob nach der Gier die Armut kommt? Es müsste nicht so sein, wenn man die Verteilungspolitik, Inflation und Teuerung in den Griff bekäme. Man muss nicht machtlos zuschauen, wie sich einige Wenige auf Kosten der Vielen maßlos bereichern! Dazu müsste aber die Regierung bereit sein, in den ohnehin nicht funktionierenden Markt einfach einzugreifen.

Eine außergewöhnliche Zeit erfordert außergewöhnliche Mittel! Vor allem müsste die Regierung ihre Handlungen und Auswirkungen auf jeden Einzelnen besser abschätzen, z.B. ein Prestigeprojekt ist die teilweise Abschaffung der „kalten Progression“, allerdings ohne deren Auswirkungen auf die Gemeinden zu berücksichtigen; durch den verbundenen Finanzausgleich stehen den Gemeinden weniger Mittel zur Verfügung und diese können daher ihre Aufgaben nicht voll erfüllen. Den Gemeinden müssten allein aus diesem Beschluss eben mehr Mittel in der Größenordnung von 1,2 bis 1,8 Milliarden zur Verfügung gestellt werden.

Ähnliche nicht zu Ende gedachte Maßnahmen gibt es bei der Teuerung, im Energiebereich, im Wohnbau, bei Lebensmitteln und in fast allen anderen Bereichen. Der Europäischen Union müsste stärker bewusst werden, dass es nicht genügt, nur Sanktionen gegen Russland zu beschließen, sondern müsste gleichzeitig einen Plan vorlegen, wie sie die Bevölkerung und die Wirtschaft schützen will, z.B. durch eine Einkaufsplattform für Gas, eine Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis und vieles mehr. Auch die diesjährige Pensionsanpassung passt zum diffusen Bild der Regierungsmaßnahmen.

Diese Regierung hat zwar mit den Pensionistenverbänden am Anfang einige gute Gespräche geführt, „verkündete“ dann aber die Pensionsanpassung 2023 (Niedrigpensionsbezieher wurden mit einem Einmalbetrag von 10,2%, und ihre Pensionen mit 7,2%) sowie für alle PensionistenInnen nach der alten Formel mit 5,8% erhöht. Nach unserer Berechnung hätte hier ein Ergebnis um 8,5% erbringen müssen; darüber hinaus hätten auch andere Themen wie z.B.: Erarbeitung einer neuen Formel der Pensionsberechnung besprochen werden müssen. Es ist interessant, wieviel Institute, die wohl auch von der Industrie gesponsert werden. wie z. B. Agenda Austria oder das Mercer-Institut, feststellen, dass offensichtlich das einzige Problem der Zukunft die Pensionen sind und aus ihrer Interessenslage versuchen, dass Umlageverfahren schlecht zu reden.

Wie in einer Mercer-Studie ausgeführt, wäre unser Pensionssystem im internationalen Vergleich wenig nachhaltig, was nur als totaler Unsinn bezeichnet werden kann. Oder die Agenda Austria bekrittelt, dass die Zuschüsse zur Finanzierung der Pensionen nicht ausreichend diskutiert würden. Ja, es wäre tatsächlich eine Diskussion dringend notwendig, aber in die Richtung, dass viel Geld für die Armutsbekämpfung ausgegeben, aber von einem Pensionsversicherungssystem geleistet wird, obwohl die Armutsbekämpfung eindeutig eine staatliche Aufgabe ist.

Unser Umlageverfahren kommt primär deshalb so unter Druck, da steigende versicherungsfremde Leistungen daraus finanziert werden. Dies muss dringenden geändert werden und nicht das Umlageverfahren angegriffen werden!

Wir sind zu Recht stolz auf unser Umlageverfahren, das von der Europäischen Kommission aufgrund des Leistungsniveaus sogar als Vorbild bezeichnet wird.

Auch der Chef des Fiskalrates, Christoph Badelt, stellt fest, dass es die Aufgabe des Staates ist, Not zu verhindern und solange die Krisensituation anhält, so auch die WIFO-Expertin M. Schratzenstaller, das Bundesbudget mit ihren höheren Defiziten weiter vertretbar sind. Aus diesem Diskurs ersehen wir, dass es viele Feinde unseres Pensionssystems gibt, aber nur eine Antwort: Weiter auf diesem Umlagesystem zu bestehen!