Seit 2014 werden die Pensionen für alle ab 01. Jänner 1955 Geborenen mit dem Pensionskonto berechnet. Welche Bilanz ziehen Sie nach 10 Jahren?
Die umfassende Pensionsreform von 2003/2004 und die damit verbundenen Übergangsregelungen schufen eine rechtliche Komplexität, die schwer darstellbar und nachvollziehbar war. Die Einführung des Pensionskontos und die damit verbundene Pensionskontoerstgutschrift waren dringend notwendig, um diese Komplexität zu bewältigen. Dieser Schritt war überfällig, da das Vertrauen in ein System immer leidet, wenn es undurchsichtig ist. Durch die jährliche Gutschrift auf dem Pensionskonto wird die Funktionsweise des Alterssicherungssystems wieder klar. Erstmals gibt es ein Instrument, das den Versicherten jederzeit Einblick in die finanzielle Lage gewährt, die sie im Alter erwarten können. Auf der einen Seite veranschaulicht ein regelmäßiger Blick auf das Pensionskonto die Entwicklung des individuellen Leistungsanspruchs, der selbst in Phasen der Arbeitslosigkeit oder Kindererziehung zunimmt. Andererseits wird es der Politik durch diese Transparenz erschwert, das Kontoguthaben durch Reformen zu reduzieren. Das Pensionskonto fungiert somit auch als politische Ermächtigung der Versicherten.
Jedoch bleibt das Potenzial dieses Instruments aufgrund folgender Umstände bisher ungenutzt: Der Blick ins Pensionskonto erfordert eine aktive Handlung der Versicherten und ist mit technischen Hürden, wie dem elektronischen Zugang über FinanzOnline oder der Handy-Signatur, verbunden. Untersuchungen zeigen, dass die Versicherten leider nicht oder nicht regelmäßig in ihr Pensionskonto schauen. Dies ist nicht nur ein österreichisches Problem, sondern auch in Ländern wie Schweden und Deutschland vorhanden. Allerdings handhaben diese Länder die Situation besser: Die schwedische und deutsche Rentenversicherung senden jährlich eine Kontomitteilung an alle Personen ab dem 25. Lebensjahr. Dort übernimmt die Sozialversicherung eine Informationsbringschuld gegenüber ihren Klient*innen, während in Österreich das Prinzip der Holschuld vorherrscht, was ich für nicht zielführend halte. Eine jährliche Kontomitteilung würde auch hierzulande dazu beitragen, dass die Versicherten die langfristigen Auswirkungen von kurzfristigen Veränderungen beim Arbeitseinkommen erkennen. Dies ist besonders wichtig für Frauen, die sich aufgrund von Betreuungspflichten aus dem Erwerbsarbeitsmarkt zurückziehen oder Teilzeit arbeiten. Ein jährlicher Blick auf das Pensionskonto könnte aber auch das Vertrauen in das System stärken, insbesondere wenn die Erwerbstätigkeit sichtbar zu einem höheren Pensionsanspruch führt.