Christine Mayrhuber, WIFO-Ökonomin
Interessensvertretung
Pensionen

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Das Pensionskonto fungiert als politische Ermächtigung der Versicherten

Susanne Eiselt, Öffentlichkeitsarbeit PVÖ-Wien, im Gespräch mit WIFO-Ökonomin, Christine Mayrhuber.

Seit 2014 werden die Pensionen für alle ab 01. Jänner 1955 Geborenen mit dem Pensionskonto berechnet.  Welche Bilanz ziehen Sie nach 10 Jahren?

Die umfassende Pensionsreform von 2003/2004 und die damit verbundenen Übergangsregelungen schufen eine rechtliche Komplexität, die schwer darstellbar und nachvollziehbar war. Die Einführung des Pensionskontos und die damit verbundene Pensionskontoerstgutschrift waren dringend notwendig, um diese Komplexität zu bewältigen. Dieser Schritt war überfällig, da das Vertrauen in ein System immer leidet, wenn es undurchsichtig ist. Durch die jährliche Gutschrift auf dem Pensionskonto wird die Funktionsweise des Alterssicherungssystems wieder klar. Erstmals gibt es ein Instrument, das den Versicherten jederzeit Einblick in die finanzielle Lage gewährt, die sie im Alter erwarten können. Auf der einen Seite veranschaulicht ein regelmäßiger Blick auf das Pensionskonto die Entwicklung des individuellen Leistungsanspruchs, der selbst in Phasen der Arbeitslosigkeit oder Kindererziehung zunimmt. Andererseits wird es der Politik durch diese Transparenz erschwert, das Kontoguthaben durch Reformen zu reduzieren. Das Pensionskonto fungiert somit auch als politische Ermächtigung der Versicherten.

Jedoch bleibt das Potenzial dieses Instruments aufgrund folgender Umstände bisher ungenutzt: Der Blick ins Pensionskonto erfordert eine aktive Handlung der Versicherten und ist mit technischen Hürden, wie dem elektronischen Zugang über FinanzOnline oder der Handy-Signatur, verbunden. Untersuchungen zeigen, dass die Versicherten leider nicht oder nicht regelmäßig in ihr Pensionskonto schauen. Dies ist nicht nur ein österreichisches Problem, sondern auch in Ländern wie Schweden und Deutschland vorhanden. Allerdings handhaben diese Länder die Situation besser: Die schwedische und deutsche Rentenversicherung senden jährlich eine Kontomitteilung an alle Personen ab dem 25. Lebensjahr. Dort übernimmt die Sozialversicherung eine Informationsbringschuld gegenüber ihren Klient*innen, während in Österreich das Prinzip der Holschuld vorherrscht, was ich für nicht zielführend halte. Eine jährliche Kontomitteilung würde auch hierzulande dazu beitragen, dass die Versicherten die langfristigen Auswirkungen von kurzfristigen Veränderungen beim Arbeitseinkommen erkennen. Dies ist besonders wichtig für Frauen, die sich aufgrund von Betreuungspflichten aus dem Erwerbsarbeitsmarkt zurückziehen oder Teilzeit arbeiten. Ein jährlicher Blick auf das Pensionskonto könnte aber auch das Vertrauen in das System stärken, insbesondere wenn die Erwerbstätigkeit sichtbar zu einem höheren Pensionsanspruch führt.

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Das Konto ist in der Öffentlichkeit bekannt?

Die Bekanntheit des Pensionskontos in Österreich ist aufgrund mehrerer Faktoren unzureichend. Die Pensionsversicherung erfüllt nicht angemessen ihre Rolle in der Informationsübermittlung. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Bevölkerung über das gesetzliche Alterssicherungssystem nur geringes Wissen besitzt. Umfragen des WIFO aus den Jahren 2020 und 2022 verdeutlichen, dass die Mehrheit der Menschen das Leistungsniveau, also die Höhe der Pensionen, unterschätzt. Fast die Hälfte der Befragten ist der Meinung, dass die Pensionen in den letzten vier Jahrzehnten gesunken sind, obwohl das Gegenteil der Fall ist.

Der Mangel an Information und das fehlende Wissen über die Funktionsweise des Alterssicherungssystems haben nachteilige Auswirkungen sowohl auf das Vertrauen in das System als auch auf die persönliche Handlungsfähigkeit. Wenn die Funktionsweise nicht bekannt ist, können die Vor- und Nachteile des Systems für die persönliche Absicherung nicht gezielt genutzt werden.

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Der „equal-pension-day“ hat viel mediale Aufmerksamkeit gebracht...

... dabei ist auch festgestellt worden, dass Frauen oft zu wenig sich mit Pensionsthemen während der Erwerbsarbeit beschäftigen. Welche Erfahrungen haben Sie damit?

Die zu geringe Beschäftigung mit dem Thema Alterssicherung ist keine Besonderheit, die nur auf Frauen zutrifft. Die bereits erwähnte WIFO-Befragung zeigt keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Die Unterschiede in den Einschätzungen bewegen sich nicht entlang der Geschlechterlinie, sondern entlang des sozio-ökonomischen Status: Personen mit geringen Einkommen schätzen das Alterssicherungssystem deutlich schwächer ein als Personen mit höheren Einkommen.

Personen mit kontinuierlichen Erwerbs- und Einkommensverläufen haben allerdings auch weniger Druck, sich intensiv mit der Funktionsweise des Systems auseinanderzusetzen. Eine 40-jährige Vollzeitkarriere bietet in der gesetzlichen Pensionsversicherung ein solides Sicherungsniveau, das im europäischen Vergleich über dem Durchschnitt der EU-Länder liegt. Dieser Versicherungsverlauf ist bei Männern die Regel, bei Frauen die Ausnahme. Frauen müssen aufgrund ihrer fragmentierten Einkommensverläufe geringere Alterseinkommen erwarten. Die genderspezifischen systematischen Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt, sowohl hinsichtlich der Höhe der Erwerbseinkommen als auch der Anzahl der Erwerbsjahre, setzen sich im Alterssicherungssystem fort. Daher wäre es für Frauen besonders wichtig, höhere Erwerbseinkommen anzustreben. Dies kann durch die Auswahl gut bezahlter Berufe, energische Verhandlungen über das eigene Gehalt erreicht werden. Auch die Übertragung unbezahlter Betreuungsarbeit an Männer kann sicherzustellen, dass das Einkommen der Frauen durch eine höhere Wochenarbeitszeit ebenfalls steigt.

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Wie sehen Sie das Thema „Pensionssplitting“?

Das derzeit mögliche freiwillige Pensionssplitting für bis zu 7 Jahre pro Kind halte ich für ein sinnvolles Instrument, das jedoch leider zu wenig bekannt ist. Hier wäre eine verpflichtende Information im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes durch die Pensionsversicherungsanstalt dringend notwendig. Zudem bedarf es nachvollziehbarer Berechnungsprogramme, um die Auswirkungen des Pensionssplittings auf die zukünftige Pensionshöhe der Eltern, die ihre Pensionsansprüche im Zusammenhang mit der Kindererziehung teilen, transparent zu machen.

Obwohl ein automatisches (= verpflichtendes) Splitting die Sensibilisierung für die Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit bei jungen Eltern fördern könnte, sehe ich in seiner Wirkung keine Maßnahme, die die strukturelle Ungleichheit zwischen unbezahlter Betreuungsarbeit und bezahlter Erwerbsarbeit ausgleichen könnte. Insgesamt würde ein verpflichtendes Pensionssplitting erst in weiter Zukunft eine pensionssteigernde Wirkung zeigen, und sein Effekt auf die Altersarmut wäre gering. Um die niedrigen Frauenpensionen zu erhöhen und der Altersarmut entgegenzuwirken, sind auch kurzfristige Maßnahmen erforderlich.

Pensionsentwicklung

In einem Interview mit dem ORF meinten Sie, dass die Pensionsthemen stärker an der Entwicklung der Löhne statt an der Inflation sich orientieren sollten? Welche Bedeutung hätte das fürs Pensionskonto?

Ich betrachte Lohnpolitik als einen entscheidenden Aspekt der Pensionspolitik: Hohe Bruttoeinkommen bedeuten gute Pensionen. Wenn bei Lohnverhandlungen die Entwicklung der Nettolöhne als alleiniger Maßstab genommen wird, vernachlässigt dies die langfristigen Auswirkungen der Löhne auf die Renten.

  • Aufwertung am Pensionskonto:
    Die Gutschriften im Pensionskonto werden aufgewertet, entsprechend wie sich die durchschnittliche Beitragsgrundlage der aktiven Arbeitnehmer entwickelt. Hier besteht bereits eine direkte Verbindung zwischen den laufenden Löhnen und den zukünftigen Pensionen.
  • Anpassung der Pensionen:
    In anderen Ländern berücksichtigen wird bei der jährlichen Pensionsvalorisierung mehrere Indikatoren berücksichtigt, darunter die Preisentwicklung, die Lohnentwicklung, die Höhe der Sozialabgaben der aktiven Beschäftigten, das Wirtschaftswachstum usw. Im Gegensatz dazu verwendet Österreich nur einen Indikator. Aktuell mag die Berücksichtigung der hohen Inflation wichtig sein, jedoch erscheint die jährliche Pensionsanpassung in Österreich in Zeiten von hohem Wachstum und geringer Inflation unausgewogen.
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