Susanne Eiselt, Medienreferentin des PVÖ-Wien führte für die UG - Unsere Generation das Interview mit Doris Schmidauer.

© Sandra Oblak
Gespräch mit Doris Schmidauer: Man kann alles verändern – auch die Bundeshymne
Frauen haben ein extremes Potenzial, auf das wir in keiner Lebensphase verzichten können.
UG/SE: Ihr Buch heißt „Land der Töchter zukunftsreich“ – eine Anspielung auf die Bundeshymne. Glauben Sie, wenn Sie das Buch genannt hätten „Land der Großmütter – Land der Erfahrung und Weitergabe der Erfahrung“, hätten Sie nicht so eine große Resonanz erhalten?
DS: Töchter sind wir ja alle! Aber zum Vergleich: Das ist schwierig zu sagen, weil wir den echten Vergleich zwischen den Titeln nie haben werden. Wie Sie richtigerweise sagen, spielt der Titel auf die Bundeshymne an. Und er erinnert auch daran, wie lange es gebraucht hat, hier die entsprechende Gleichstellung durchzusetzen. Die Gleichstellung der Geschlechter in Österreich wird erreicht werden, wenn wir die verschiedenen Hebel, die wir zur Verfügung haben, auch einsetzen. Das kann uns optimistisch stimmen.

First Volunteer
UG/SE: Sie nennen sich „First Volunteer“ – dazu habe ich eine Frage. Sehr viele Pensionistinnen engagieren sich sehr umfassend in Ehrenämtern, bleiben jedoch mehr oder minder unsichtbar und hinter der Bühne. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass der Erfahrungsschatz der Frauen nach der Pensionierung verloren geht, dass die engagierten Töchter, Frauen als Seniorinnen plötzlich verschwinden?
DS: Ich glaube, ein Hauptproblem ist – das betrifft die Frauen generell, noch bevor sie in Pension gehen –, dass die Frauen die Hauptlast der unbezahlten Arbeit tragen. Die Familienarbeit, die Sorgearbeit, die Care-Arbeit, wie man heutzutage sagt, die Frage der Kinderbetreuung, aber nicht nur das, auch wenn es um die Pflege älterer Familienangehöriger geht, wird automatisch erwartet, dass die Frauen das übernehmen. (..) Dieses Stereotyp oder auch die Erwartung an die Frauen setzt sich fort, wenn sie in Pension gehen, und es wird davon ausgegangen, dass sie dann noch mehr Zeit haben für die Enkelkinder oder für die kranke Schwiegermutter, weil sie „eh in Pension sind“ (..). Ich kenne einige Pensionistinnen, die ehrenamtlich tätig sind, diese Ehrenamtlichkeit will ich mit meiner augenzwinkernden Bezeichnung als „First Volunteer“ unterstreichen. (..) Es gibt viele Felder, wo man sein Potenzial einsetzen kann und dafür trete ich stark ein.
55 % der Wiener Bevölkerung sind weiblich
UG/SE : 55 % der Wiener Bevölkerung sind weiblich, 40% der Wienerinnen sind in der Altersgruppen 50 +, die Lebenserwartung von Frauen liegt bei 83 Jahren, bei Männern bei 79 Jahren, d.h. dass Frauen ca. 20-25 Jahre als Pensionistinnen leben. Welche Strategien sollte es gesellschaftlich bzw. individuell geben, damit Frauen im Alter gut versorgt sind?
DS: Ich glaube, wir sind uns einig, dass das nicht erst im Alter beginnt. Gut versorgt zu sein bedeutet, auch darauf zu schauen, wie man seine Erwerbskarriere vorher gestaltet. Teilzeitbeschäftigung sorgt dafür, dass sich viele dann wundern und wahrscheinlich auch erschrocken sind. Ich glaube, es ist wichtig, Frauen und auch ihren Partnern bewusst zu machen, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen einmal haben werden. Das andere ist, dass Frauen ab 50 auch entsprechend sichtbar bleiben. Es ist eine Doppelmoral, die wir da hin und wieder abbekommen, wenn einerseits behauptet wird, die Lebenserwartung steige, man solle länger arbeiten und gleichzeitig aber gesagt wird, man sei schon zu alt und zu teuer. Ich habe immer gerne gearbeitet und kenne genug Frauen und Männer, die gerne arbeiten, die die Lust am Arbeiten, an der Aktivität nicht verlieren. Das setzt aber auch voraus, dass es Unternehmer und Arbeitgeber gibt, die das entsprechend unterstützen . Alle Akteure und Akteurinnen, die hier eine Rolle spielen, sind gefragt . Wichtig ist auch, anzuerkennen, dass Erfahrung einen Wert hat und weitergegeben werden kann. Als Personalchefin war es für mich immer eine schöne Aufgabe, solche Übergangsprozesse zu organisieren. Wenn sich jemand in Richtung Pension bewegt, zu überlegen, „Wie kann ich das Wissen sichern“, oder „Wie kann ich dieser Kollegin ermöglichen, ihr Wissen rechtzeitig an jemanden Jüngeren weiterzugeben“. Das ist eine schöne Aufgabe, da reflektiert man selbst, „Was habe ich in dieser Organisation ein Leben lang gemacht, welches Wissen, welche Netzwerke, welche Kontakte habe ich? Meine Schätze gebe ich an jemanden Jüngeren weiter“. Das ist eigentlich eine sehr schöne Aufgabe für Junge, so einen großartigen Einstieg zu haben, und für Ältere ist es, glaube ich, eine Möglichkeit, mit Stolz auf ein langes Berufsleben zurückzublicken.

Problem Pensionsantrittsalter:
UG/SE: Arbeitslose Frauen mit Anfang, Mitte 50 sind kaum vermittelbar und doch spricht man in der öffentlichen Diskussion immer wieder von der Anhebung des Pensionsantrittsalters. Jede dritte Angestellte, jede zweite Arbeiterin wechselt von der Arbeitslosigkeit in die Pension – wo sehen Sie hier die Hebel? Denn viele Menschen wissen wenig über das Pensionskonto und schieben das Thema Pension, das Image-mäßig mit Bedürftigkeit und Passivität verbunden ist, ab.
DS: Die Lebenserwartung steigt und manche Menschen befinden sich bis zu 20 Jahre in der Pension. Also da will man aktiv bleiben. Ich kenne viele, die sagen, „Ich will selbstbestimmt meine Arbeit organisieren“ und deshalb die Selbstständigkeit wählen (..) Es gibt dann, in der Pension, vielleicht die Möglichkeit, die Idee, die man schon länger mit sich herumträgt, zu verwirklichen. Das Image der Pension – ich sitze zu Hause auf dem Sofa, stricke, sticke und trinke Kaffee – das ist ja schon längst überholt. Mit welchem Bewusstsein nähert man sich an? Wie will man sich sinnvoll beschäftigen? Die Pension könnte auch als Rückenwind verstanden werden. Ich denke zum Beispiel an die Digitalisierung. Ich war in Finnland bei einem Arbeitsbesuch und war dort in einer großartigen Bibliothek in Helsinki, direkt gegenüber vom Parlament. Die öffentlichen Bibliotheken haben in Finnland einen großen Bildungsanspruch – das ist nicht nur eine Bibliothek oder Bücherei, sondern ein Sammelort für jüngere und ältere Menschen, wo Musikstudios angeboten werden, Nähmaschinen stehen, wo ein 3-D-Drucker steht. Da kann man sich vielfältig beschäftigen und u.a. bieten sich auch generationenübergreifende Schulungen zum Thema Digitalisierung. Wenn man da durchgeht, hat man das Gefühl, das ist ein Ort für Jung und Alt. (..)
UG/SE: Die Rolle der Personalberater ist sehr wichtig, dass diese ihre Mitarbeiter_innen zeitgerecht informieren. Wo sehen Sie einen besseren Hebel in der Gesellschaft und Politik, um die negativen Assoziationen – Bedürftigkeit, Passivität, Belastung für den Staat – des Themas Pension aufzuheben? Ich denke da an das Beispiel „vom Wehrdienstverweigerer zum Zivildiener“. Vielleicht gelingt auch bei dem Thema Pension so eine Bewusstseins- bzw. Imageänderung?
DS: Eine positivere Konnotation? Zunächst: Die Pension ist kein Almosen und kein Geschenk. Sie beruht auf eingezahlten Sozialversicherungsbeiträgen – das ist festzuhalten. Allerdings führt die demographische Entwicklung zunehmend zu höheren staatlichen Zuschüssen. Was die Spaltung in der Gesellschaft zwischen den Pensionisten und den künftigen Generationen betrifft, ist es wichtig, immer im Dialog und im Austausch zu bleiben. Jüngere Menschen stehen immer vor anderen Herausforderungen als ältere Menschen, als diese noch jung waren, und daher ist es wichtig, dass man einander von beiden Seiten Wertschätzung und Respekt entgegenbringt. (..). Die Pensionisten können sich nicht auf dem Sofa ausruhen, sie müssen auch sehen, welchen Herausforderungen die Jungen ausgesetzt sind. Wir sind gerade in einer Zeitenwende und erleben, in welchem Zustand die Welt ist, erleben, dass es für Jüngere oft schwer zu ertragen ist. Dazwischen hat es eine Generation gegeben, wo der Wohlstand immer gestiegen ist. Das Wohlstandsversprechen konnte weitergegeben werden, weil es auch eingehalten werden konnte. (..)
Die Bereitschaft, mit offenen Augen aufeinander zuzugehen, miteinander zu sprechen, das ist wichtig. Wenn sich die eine Gruppe in das eine Eck setzt und die andere Gruppe in das andere Eck, hier „Wir sind die Pensionisten – das haben wir uns verdient“, und da die Jungen – besser ist es, man bewegt sich aufeinander zu, in die Mitte.

Wie ist Ihr Zugang zum Thema Pension?
DS: Ich bin immer aktiv gewesen und solange es mir gesundheitlich möglich ist, werde ich aktiv bleiben. Es gibt so viele sinnvolle Beschäftigungen und hier als First Volunteer lerne ich so viele interessante Projekte kennen, auch so viele mutige Frauen, die immer wieder neue Ideen haben, etwas Neues gründen – in meinem Buch habe ich einige Pionierinnen vorgestellt – für mich großartig, dass ich die jetzt kennenlernen kann.
Link zum Buch "Land der Töchter zukunftsreich"
Susanne Eiselt