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Robert Menasse war zu Gast im PVOÖ-Europacafé

LINZ/OÖ. Über 150 interessierte Besucher verfolgten auf Einladung des Pensionistenverbandes Oberösterreich am 13. Mai eine Lesung von Autor Robert Menasse aus seinem Buch „Die Welt von morgen. Ein souveränes demokratisches Europa – und seine Feinde“ im Linzer Volkshaus Dornach-Auhof. Danach diskutierte Menasse mit PVOÖ-Landespräsidentin Birgit Gerstorfer und dem EU-Abgeordneten Hannes Heide über die Zukunft von Europa und der Europäischen Union.

Wenige Wochen vor den Eurowahlen am 9. Juni zeigte der Publikumsandrang beim PVOÖ-Europacafé, dass das Interesse am Thema Europa ungebrochen ist. In gekonnter Art und Weise nahm Menasse zu Beginn der Veranstaltung die Besucher mit auf eine Zeitreise zur Wiege der Demokratie, ins antike Griechenland, und zeigte auf: „Es wird ja immer gesagt, dass die Griechen als erste die Demokratie lebten, aber damals war etwa die Mitsprache von Frauen oder eine Gesellschaft ohne Sklaven undenkbar. Demokratie ist ein ständiger Prozess und nicht nur das, was man etwa aktuell in den europäischen Ländern gewohnt ist.“

„Nationalismus bedeutet am Ende immer Krieg“

Die größte Herausforderung für das gemeinsame Europa ist für Menasse der Nationalismus: „Kriege waren in Europa lange allgegenwärtig. Der Aggressor dabei war immer schon der Nationalismus. Nationalismus bedeutet am Ende immer Krieg. Dies gilt es zu überwinden, vielmehr muss die Gemeinschaftspolitik und die Entwicklung hin zu einer europäischen Demokratie weiter vorangetrieben werden“, so Menasse, der deutlich wird, wenn es um die geringe Akzeptanz der EU in Österreich geht: „Nationalisten können keine großen Probleme lösen, diese sind längst schon alle transnational. Das Einzige, was Nationalisten können, ist Wut zu produzieren.“ Weil sie keine Probleme wirklich lösen können, würden Nationalisten vielmehr den offenen Kulturkampf suchen. „Das heißt, sie attackieren etwa öffentlich-rechtliche Medien und den freien Journalismus. Dem muss man sich entschieden entgegenstellen, es ebnet den Weg zum Faschismus“, betont Menasse.

Dauerthema EU als „Bürokratie-Moloch“

Von PVOÖ-Landespräsidentin Birgit Gerstorfer auf das Thema „EU als Bürokratie-Moloch“ angesprochen, zeigt der Autor Verständnis für den Unmut von vielen, führt jedoch auch aus, wie es zu solchen Entwicklungen kommen kann: „Politischer Populismus produziert in seiner Dummheit unnötige Probleme. Weil man staatenübergreifende Probleme wie ein vernünftiges Asyl- und Migrationsgesetz oder ein EU-weites Energiekonzept durch Klein-Klein-Lösungen in den Nationalstaaten nicht lösen kann, bleibt der EU nur noch die Regulierung von teilweise unnützen Dingen. So gesehen sind sogar die nervigen Verschlusskappen von Plastikflaschen eine Folge des Nationalismus. Nur Gemeinschaftspolitik kann die großen Probleme angehen.“

Mit dem Beispiel eines EU-weiten Energiekonzeptes, das vor 30 Jahren angedacht war, untermauert Menasse sein Argument: „Es wurde damals abgelehnt mit dem Argument, es würde ja 15 Jahre lang dauern, es aufzubauen. Heute und durch die Abhängigkeit von russischem Gas wären wir froh eine solche Lösung zu haben, dann müssten wir auch keine Windräder im Waldviertel bauen.“

Hannes Heide: „Europa ist viel zu wenig ambitioniert“

Der EU-Abgeordnete Hannes Heide, beim PVOÖ auch als Kultur-Referent tätig, sieht die gemeinsame Durchschlagskraft der EU in Gefahr: „Wenn die Wut auf der EU steigt und alles nur noch national gelöst werden soll, dann wirft das die europäische Gemeinschaft stark zurück. Überhaupt ist Europa viel zu wenig ambitioniert“, findet Heide deutliche Worte und ergänzt: „Wo ich überall höre, das geht nicht und das geht nicht - die USA hätten nie einen Menschen auf den Mond gebracht, wenn sie so gedacht hätten.“

Aus dem Kultur-Ausschuss des EU-Parlamentes, in dem Heide sitzt, weiß er um ein Beispiel: „Beim Thema Kulturbudget sieht man, ob man europäisch denkt oder nicht. Das wertvolle Programm namens Creative Europe etwa hat für alle Mitgliedsstaaten das gleiche Budget wie etwa allein die jährlichen Betriebskosten der Pariser Oper ausmachen.“ Durch harte Verhandlungen gäbe es aber auch in diesem Ausschuss Erfolge wie etwa die Verdoppelung des Budgets vom Erasmus-Programm zur Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport, so Heide.

„Wir befinden uns mitten in einem Rechtsruck“

Die Wut auf die EU ist von vielen Staaten hausgemacht, wie der Bad Ischler weiß: „Wir befinden uns in Europa mitten in einem Rechtsruck, gesucht werden in den Staaten dann vermehrt Sündenböcke und da bietet sich die EU und Brüssel für viele gut an. Es gibt auch in Österreich Kräfte, die uns in die Zeit vor Kreisky zurückdrängen wollen. Dabei bekommt Österreich etwa finanziell nachweislich mehr aus der EU heraus, als wir einzahlen, vom wertvollen Friedensprojekt ganz zu schweigen.“

Und selbst vielkritisierte EU-Regulierungen können für Heide auch oft ein Fortschritt sein: „Man kann über Sinn und Unsinn von Regeln diskutieren, aber manche sind durchaus sinnvoll und bringen uns als Gesellschaft weiter. Wenn es etwa einheitliche Regelungen wie DIN A3 oder DIN A4 bei einem Blatt Papier nicht gebe, hätten wir einen unübersichtlichen Wildwuchs an Papiernormen“, so Heide. 

Robert Menasses Vision der EU im Jahr 2100

Robert Menasse auf seine Vision der EU für das Jahr 2100 angesprochen: „Ich wünsche mir, dass nationale Identitäten im Jahr 2100 keine Rolle mehr spielen. Ich bestehe darauf, eine Heimat zu haben, aber ich kann mit nationalen Identitäten nichts anfangen. Nichtsdestotrotz betone ich auch: Die EU soll künftig die Werte, die sie am Sonntag predigt, auch von Montag bis Freitag selbst leben.“

Birgit Gerstorfer: „Können nun besser beim Thema EU-Wahl mitreden“

Für Birgit Gerstorfer war in ihren Schlussworten klar: „Politische Meinungsbildung für unsere Mitglieder ist sehr wichtig. Robert Menasse und Hannes Heide haben uns heute viele Informationen und Argumente geliefert, damit wir besser mitreden können beim Thema EU-Wahl und der Zukunft von Europa.“