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Ein Nachmittag im Zeichen der pflegenden Angehörigen

LINZ/OÖ. Am 8. Mai veranstaltete der Pensionistenverband Oberösterreich im Volkshaus Ebelsberg eine Infoveranstaltung zum Thema „Die Zukunft der Pflege zuhause“. Über 100 interessierte Besucher*innen erhielten durch Vorträge und Diskussionsrunden mit Experten, Betroffenen und politischen Vertretern wertvolle Informationen zur aktuellen Pflegesituation und zu möglichen Verbesserungen für pflegende Angehörige.

Während die institutionelle Pflege und der Personalmangel in den Medien gerade rund um den Welttag der Pflege am 12. Mai viel Aufmerksamkeit erhielten, bildet die Pflege zuhause den größten Teil der Pflegezukunft in Österreich. Die Zahlen sprechen für sich: 80 Prozent der zu Pflegenden leben daheim, nur 20 Prozent in Pflege- oder Seniorenheimen.

„Kurzzeitpflege ist schwer zu kriegen und sehr teuer“

PVOÖ-Landespräsidentin Birgit Gerstorfer berichtete einleitend: „Gerade das Thema der Auszeiten für pflegende Angehörige ist ein unterbeleuchtetes Themenfeld, gerade Kurzzeitpflege ist schwer zu kriegen und sehr teuer. Die Tageszentren mit ihren 1.500 Teilnahmen pro Jahr sind ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es gibt auch bürokratische Hürden, wenn man etwa in ein anderes Bundesland will und selbst die Bezirksgrenze stellt bereits eine Hürde dar. Ich kann nicht in einem anderen Bezirk einen Pflegeplatz bekommen.“ Auch der neue Angehörigenbonus helfe nur einem kleinen Kreis von pflegenden Angehörigen: „Da muss eine deutliche Verbesserung her“, fordert Gerstorfer. 

Demenz-Schwerpunktheime als Ziel

Sozial-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer gab im Volkshaus Ebelsberg den interessierten Besuchern Auskunft und gab einen Einblick in die Pläne: „Wir wollen ein Demenz-Schwerpunktheim in jeder Region anbieten und für rechtzeitiges Angebot der Demenz-Screenings sorgen. In der Unterstützung der pflegenden Angehörigen ist der erste Schritt der Angehörigenbonus. Es gab lange gar nichts. Weiters müssen die Sozialberatungsstellen in den einzelnen Bezirken Dreh- und Angelpunkt werden. Ich bin auch dafür, wieder die Pflege über die Landesgrenzen hinweg zu ermöglichen.“

Rechtzeitige Vorbereitung auf das Älterwerden

Der ehemalige Fachhochschul-Professor Paul Brandl informierte die über 100 Besucher*innen im Volkshaus Ebelsberg über Fragestellungen zu Pflegegeld, die eigene Vorsorge für den Notfall oder auch mögliche finanzielle Unterstützungen. „Von der Ausstattung der Wohnung bis zum eigenen sozialen Netz: Man muss sich früh genug Gedanken machen und sich auf das Älterwerden vorbereiten, man darf das nicht nur anderen überlassen“, so sein Ratschlag.

Heidemarie Staflinger von der Arbeiterkammer Oberösterreich präsentierte anschließend aktuelle Zahlen zur Pflege-Situation in Oberösterreich: „282.241 Menschen, das sind 19 Prozent der Oberösterreicher*innen, sind derzeit 65 Plus. 70.000 Menschen beziehen Pflegegeld, bis zum Jahr 2024 wird es zu einer Verdoppelung der über 85-Jährigen kommen.“

Die Rolle der Frauen in der Angehörigenpflege

Staflinger hob hervor, dass die Pflege von Angehörigen überwiegend von Frauen übernommen wird: „73 Prozent der pflegenden Angehörigen zuhause sind weiblich. Ohne diese Unterstützung wäre die Versorgung in Heimen nicht möglich.“ Sie forderte mehr Anerkennung und konkrete Unterstützung im Alltag: „Machen wir pflegende Angehörige zum gemeinsamen Herzensthema – ich bin dabei!“

Berührende Berichte aus der Pflege-Praxis

Anschließend gaben Erika Michlmayr, eine Community Nurse aus Puchenau und Fritz Piringer, selbst pflegender Angehöriger eindringliche Berichte aus der Pflege-Praxis ab. „Es  ist keine Schwäche, sondern eine Stärke, sich in einer solchen Situation Unterstützung zu suchen“, so Michlmayr.

Fritz Piringer pflegte seit vier Jahren seine demenkranke Frau: „Ich habe immer gesagt, Demenz, ja, was wollt ihr denn, dann vergessen sie halt immer mal wieder etwas, aber wenn man es einmal selbst erlebt, weiß man, man muss 24 Stunden am Tag für die betroffene Person da sein. Meine Frau kennt mich selbst nicht mal mehr, ich sage ihr regelmäßig meinen Namen. In der Wohnung kennst du sie sich auch nicht mehr aus, alles ist voller beschrifteter Zettel, auch den Haushalt musst du natürlich komplett alleine bewältigen.“ Piringer beschäftigen auch Fragen wie „Was passiert, wenn ich selbst krank werde?“ intensiv: „Ich wünsche mir deshalb einen Heimplatz für meine Frau, damit sie einfach künftig gut betreut ist.“

Mehr Tagesbetreuungs-Plätze notwendig

Sonja Zauner von der Caritas forderte in Ebelsberg eindringlich: „Es braucht mehr Tagesbetreuungs-Plätze, Heimplätze, Mobile Dienste, es braucht ganz viel, viele Pflegende Angehörige fühlen sich allein gelassen.“ Die Caritas ist an 11 Standorten in Oberösterreich mit Beratungsstellen präsent. „Viele wollen einfach einmal in netter Runde diskutieren oder einmal lachen können. Wir organisieren auch Angebote wie Ersatzpflege, wenn nötig, das versorgt die Betroffenen mit Kraft und Energie. Es gibt auch Auszeit-Tage, ich kann nur alle animieren, sich bei uns zu rühren“, so Sonja Zauner.

Die Herausforderung der Demenz-Diagnose

Sabine Wögerbauer vom Demenz-Kompetenzzentrum der Volkshilfe, weiß aus der Praxis: „Die Diagnose Demenz ist eine große Herausforderung, man braucht als Angehöriger einen langen Atem. Es kommt einmal vielleicht jemand für eine halbe Stunde zum Baden vorbei, aber was ist mit dem restlichen Tag?“

Koordinierte Versorgung sicherstellen

Harald Schmadlbauer von der ÖGK sprach über das Programm ANNA, das Kur-Angebote für Angehörige bietet. Er betonte die Notwendigkeit einer koordinierten Versorgung: „Die Grenze zwischen Sozial- und Gesundheitsbereich ist oft nicht nachvollziehbar. Der Ausbau der Primärversorgungseinheiten könnte hier ein entscheidender Faktor sein.“